IKL: Wir stehen in Norddeutschland/Schleswig-Holstein erst am Anfang der Nutzung von Tiefengeothermie. Was sind Ihre Ratschläge für einen Erfolg?
Dr.Knapek: Der norddeutsche Untergrund ist aufgrund unzähliger Erdöl- und Erdgasaufsuchungen in Deutschland am besten untersucht und bekannt. Wichtig ist hier, den Zugang zu den daraus gewonnenen geologischen Daten zu haben und Institute zu beauftragen, die daraus das Reservoir für die Tiefengeothermie ermitteln können. Die Kenntnisse über den Untergrund sollten – wenn nicht schon vorhanden – mit einer 3D-Seismik noch vertieft werden. Ich nehme an, dass dafür bereits im Geologiedatenportal GEOTIS in Hannover einiges zur Verfügung steht. Jedenfalls gibt es in Norddeutschland genügend Institute und entsprechende Ingenieurbüros, die mit sehr großem Wissen und viel Erfahrung zum Erfolg beitragen können.
IKL: Sie haben damals die Bürgerbeteiligung für das erste Geothermiekraftwerk mit der Agenda 21, einem Aktionsprogramm der Vereinten Nationen realisiert und es als Organ in die Geschäftsordnung des Gemeinderats installiert. – Mögen Sie uns das erläutern?
Dr. Knapek: Beim gewählten Rat besteht immer die Befürchtung, dass durch eine institutionalisierte Bürgerbeteiligung ein durch öffentliche Wahlen nicht berechtigter, parallel agierender Rat entsteht, der eventuell entscheiden will, was politisch umgesetzt werden soll. Somit ist es wichtig, dass man eine Verfahrensgrundlage schafft, die dafür sorgt, dass letztlich nur die gewählten Mandatsträger durch Abstimmung im Rat Entscheidungen treffen können. Und damit auch die Gemeindeordnung eingehalten wird.
Im Kapitel 28 der Agenda 21 ist festgelegt, dass der gewählte Rat, die Verwaltung und die lokale Bürgerbeteiligung gemeinsam an der Entwicklung der Gemeinde zusammenarbeiten. Die Lokale Agenda 21 hat sich dazu selbst einer Satzung – obwohl sie rechtlich kein Verein ist – unterworfen, die als Anhang der Geschäftsordnung des Gemeinderats beigefügt ist, so dass der Rat und auch die Verwaltung wissen, mit wem sie es zu tun haben. In der Satzung wird festgelegt, welche Arbeitskreise die lokale Agenda 21 einrichtet und wie die entsprechenden Sprecherinnen und Sprecher dieser AK gewählt werden. Ebenso gibt es eine Vollversammlung der lokalen Agenda 21, für die im festgelegten Rhythmus aus der Versammlung heraus eine Vorsitzende bzw. ein Vorsitzender gewählt wird. Es ist auch festgelegt, in welcher Frequenz Vollversammlungen und Arbeitskreissitzungen stattfinden. Dazu kommt noch eine zweimal im Jahr stattfindende Sitzung der AK Sprecherpersonen unter Vorsitz der/des Vorsitzenden der Vollversammlung. In der GO des Gemeinderats wird auf dieser Grundlage ein Agendabeirat eingerichtet. Diesem Agendabeirat gehören die/der Vorsitzende der Vollversammlung der lokalen Agenda 21, die Sprecherpersonen (im Vertretungsfall entsprechende gewählte Stellvertreter), die Umweltreferenten des Gemeinderats und die Leitung des Umweltamtes an. Es ist auch noch festgelegt, dass die lokale Agenda 21 nach ihrem Ermessen bei Bedarf neue Arbeitskreise einrichten kann. Der Agendabeirat wird im jährlichen Wechsel von einem der Umweltreferenten geleitet. Das Protokoll der Beiratssitzung wird vom Umweltamt erstellt.
Dieser Beirat hat die Aufgabe, die von den Bürgern in Arbeitskreisen eingebrachten Vorschläge, Themen, Anträge etc. zu besprechen und daraus Anträge an den Gemeinderat zu erstellen. Über Form und Inhalt der Anträge wird im Beirat abgestimmt. Die anwesende Person aus der Verwaltung ist nicht stimmberechtigt. Die Beiratssitzung ist öffentlich, soweit keine persönlichen Grüne dagegensprechen. Die Tagesordnung wird vom leitenden Umweltreferenten aufgestellt, der auch zur Sitzung ordnungsgemäß einlädt. Die erarbeiteten Anträge an den Gemeinderat werden vom jeweils leitenden Umweltreferenten in der folgenden Gemeinderatssitzung als Antrag der lokalen Agenda 21 vorgetragen. Die Verwaltung hat in angemessener Frist daraus eine Sitzungsvorlage für den Gemeinderat oder für zuständige Ausschüsse zu erstellen, über die letztlich nur die Mandatsträger abstimmen, womit die Gemeindeordnung eingehalten wird. Den gefassten Beschluss muss der Bürgermeister umsetzen. Die lokale Agenda 21 darf sich entsprechend Informationen zu rechtlichen und finanziellen Fragestellungen bei der Verwaltung erkundigen, die vom Bürgermeister auch die Anweisung, Hilfe zu erteilen, bekamen.
Es gibt zum Verfahren noch eine nicht schriftlich festgelegte Anordnung:
Es darf kein/e Mandatsträger/in eine Funktion in der lokalen Agenda 21 übernehmen und man sollte sich im Wesentlichen aus den Diskussionen in den Arbeitskreisen heraushalten, es sei denn man wird dazu aufgefordert.
Für die Arbeit der lokalen Agenda 21 ist eine Haushaltsstelle eingerichtet, mit deren Finanzmittel entsprechende Aufwände finanziert werden (damals 5000 DM, heute 5000 €). Kommunale Räume werden für Sitzungen kostenlos zur Verfügung gestellt. Da die lokale Agenda 21 aus einer Initiative des Ökumenearbeitskreises der Kirchengemeinden hervorging, waren auch die Kirchengemeinden sehr kulant, wenn kostenlose Nutzung von Räumen notwendig war.
Das klingt alles als schwer machbar. Wenn aber ein Bürgermeister wirklich will, dann geht das. Nach kurzer Zeit der Zusammenarbeit merkt auch der Rat und die Verwaltung, dass man damit Gewinne erzielt, denn motivierte und höchst anerkannte, fantasievolle ehrenamtliche Mitarbeit ist schließlich von Vorteil für die Gemeinde.
Im Übrigen funktioniert dies heute (nach 27 Jahren) noch.